Rückkehr zur Tradition

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Als ich in den neunziger Jahren in China lebte, hatten Plastik und Plastikmöbel einen hohen Stellenwert. Plastik wäre das allermodernste und das allerfeinste, so sagten meine chinesischen Freunde. Die US-Lebensart kam gerade nach China, und jeder, der es sich leisten konnte, wollte den Westen kopieren und ein Stück davon in der Wohnung haben. Dazu kam, dass die Holzmöbel, die zu der Zeit produziert wurden, von sehr schlechter Qualität waren, sie wurden aus einfachen Sperrholzplatten zusammen genagelt. Als ich nun meine Wohnung in Beijing einrichten musste, suchte ich nach traditionellen chinesischen Möbeln und besuchte einen Antikmarkt nahe des Ritan-Parks. In zwei Hallen wurden Raritäten und Kuriositäten vom Feinsten angeboten. Ich war begeistert und besuchte nun fast jedes Wochenende diesen Markt und lernte die Geschichte der chinesischen Möbel kennen. Und ich kaufte mir nicht nur einen Schrank, sondern auch Reisbehälter, geschnitzte Fenster und sogar einen Huthalter. Meine Freunde kamen zu Besuch mit Plastikgeschenken und ich führte stolz meine Schätze vor, die sie aber als Müll (垃圾 La ji ) betitelten. Das hielt mich aber nicht davon ab, in den nächsten Jahren weitere Antikmärkte aufzusuchen und die chinesische Lebensart zu studieren.

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Die Geschichte der chinesischen Möbel lässt sich bis in die Zeit der Streitenden Reiche (战 国475-221 vor Christus) zurückverfolgen. Das älteste bislang gefundene Möbelstück stammt aus der Epoche des Königreichs Shu (221-263). Damals lebten, schliefen und arbeiteten die Menschen auf Matten. Die Leute knieten, saßen auf ihren Fersen oder im Lotussitz. Aus diesem Grund waren die Möbel niedrig gehalten. Die ausgegrabenen Möbel waren schwarz lackiert mit Malereien in Gold, Silber und Gelb. Auch Einlagen mit Jadestücken kamen schon zu dieser Zeit vor, sowie bronzene Tiermasken als Schlösser. Erst im 5. bis 6. Jahrhundert fand das Leben nicht mehr auf dem Boden statt und somit änderte sich die Form der Möbel, hohe Stühle und Tische wurden konstruiert. In der Song-Dynastie (宋代 960 1279) gab es bereits viele verschiedene Formen von Einrichtungsgegenständen. Aber das goldene Zeitalter der Möbelanfertigung begann in der frühen Ming-Dynastie (明代1368 1644). In dieser Zeit wurden Möbel aus der Song-Dynastie kopiert und zur Perfektion geführt. Das gesamte Reich blühte unter dem Kaiser Zhu Di (1402 bis 1424) auf und auch der Handel erreichte seine Blütezeit. Durch den wachsenden Wohlstand verlangten nun nicht nur der Adel, sondern auch Leute aus Stadt und Land nach guten Möbeln.

Verschiedene Holzmuster

Kunsthandwerker, die in oder um Beijing lebten, mussten zehn Tage im Monat für die kaiserliche Tischlerei arbeiten. Die Tischler aus anderen Teilen Chinas mussten für alle drei Jahre für drei Monate nach Beijing kommen und im Palast arbeiten. Die Möglichkeit, dieser Fronarbeit am Hofe durch die Bezahlung einer Geldsumme zu entgehen, wirkte sich auf die Qualität und Quantität der Schreiner aus. Entlang des Kaiserkanals blühte die Wirtschaft und die Händler zeigten ihren Reichtum. Im Norden der Provinz Zhejiang siedelten sich viele Seidenfabriken an und der Wohlstand der Fabrikbesitzer ließ es zu, dass sich diese besonders schöne Möbelstücke anfertigen ließen.

Während der Regierung von Kaiser Longqing (隆庆15671572) wurde die Sperre des Seehandels aufgehoben und es wurden nun auch tropische Harthölzer importiert. In der frühen Qing-Dynastie (青代16441911) wurden weiterhin Möbel im Ming-Stil angefertigt. Aber während der Regierungsperiode des Kaisers Kangxi (康熙16621722) änderte sich der Stil. Die Hofbeamten entwickelten ein neues Design, und so kam es zu einer drastischen Änderung. Die Möbel fielen durch eine reiche Ornamentik auf. Die schlichte Eleganz des Ming-Stils ist dagegen zeitlos geblieben und auch heute noch aktuell.

Mehr zu den Hölzern, die zum Möbelbau verwendet wurden, finden Sie hier.

Die Verbindungstechnik der chinesischen Tischler war eine besondere Kunst. Die einzelnen Bestandteile wurden ohne Nägel und Schrauben und unter sparsamer Leimanwendung zusammengefügt. Neben schlichten, unverzierten Möbeln existierten zu jeder Zeit aufwendig gearbeitete Einzelstücke, die geschnitzt, lackiert und mit Einlegearbeiten versehen wurden.

Jetzt nach mehr als zwanzig Jahren beneiden meine chinesischen Freunde mich um diese Antiquitäten, denn die Plastikwelle ist längst vorbei und der Sinn der Tradition ist nun wieder hoch angesiedelt.

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