Bernhard Ruhstrat

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Bernhards Vater Ernst Ruhstrat arbeitete seit 1881 beim Kaiserlichen Chinesischen Zollamt in verschiedenen Städten. Im Turnus von einigen Jahren besuchte Ernst Ruhstrat seine Eltern in Oldenburg, 1890 heiratete er dort und gemeinsam gingen Ernst und Marie Ruhstrat nach Chingkiang (heute Zhenjiang) in der Provinz Jiangsu. Dort wurden die Söhne Konrad am 9. Dezember 1893 und Bernhard am 3. August 1895 geboren. Ernst Ruhstrat unternahm viele Reisen innerhalb Chinas. Im Frühjahr 1897 reiste die Familie nach Oldenburg und blieb zwei Jahre in der Heimatstadt, dann kehrten alle zusammen nach China zurück, dieses mal nach Amoy (heute: Xiamen). Im Herbst 1901 wurde der Vater nach Shanghai versetzt, hier ging  Bernhard mit seinem älteren Bruder Konrad zur Kaiser-Wilhem-Schule. Am Ostersonntag 1902 starb Konrad in Shanghai.

Kaiser Wilhelm Schule Shanghai ca 1910

Von 1904 bis 1907 weilte die Familie wieder in Oldenburg, sie wohnten bei der Großmutter in der Herbartstraße. Hier bekam Bernhard Privatunterricht und besuchte ab Ostern 1906 das Großherzogliche Gymnasium in Oldenburg.

Bernhard, Otto und Fritz in Shanghai

Im Sommer 1907 reiste Marie Ruhstrat mit ihren mittlerweile fünf Kindern wieder nach China. Ernst war mittlerweile Chef-Assistent beim Kaiserlichen Chinesischen Seezoll in Shanghai geworden.  Dort ging Bernhard nur ein paar Wochen in die Kaiser-Wilhem-Schule, denn schon im November wurde der Vater nach Jiujiang an den Yangzi-Fluss versetzt. Dort gab es keine internationale Schule, deshalb entschieden die Eltern, dass Bernhard ab Januar 1908 das deutsche Realgymnasium in Tsingtau (heute: Qingdao)  besucht und dort im Alumnat beim Oberlehrer Küntzel wohnt.

Das Alumnat in Tsingtau

Es war das erste Mal für den zwölfjährigen Bernhard, dass er von seiner Mutter und seinen Geschwistern getrennt war. Es fiel ihm schwer, sich in Tsingtau  einzugewöhnen. Er mochte die Stadt nicht und schon gar nicht das Ehepaar Küntzel.

Friedrichstrasse mit dem Alumnat

Er wusste nicht, wie er mit seinem Heimweh nach der Familie und nach Kiukiang (heute: Jiujiang) umgehen sollte. Auch mit seinen Mitschülern hatte er oft Streit. Lehrer Küntzel beschwerte sich bei der Mutter, dass Bernhard um sich schlagen und boxen würde. Bernhard schrieb mehrmals in der Woche an seine Familie, vor allem an seine Mutter, aber auch an seine Verwandten und Freunde in Oldenburg. Es ging soweit, bis ihm Lehrer Küntzel das Schreiben verbot, nur einmal in der Woche durfte er an seine Mutter schreiben, an die Familie in Oldenburg gar nicht. In dieser Zeit entwickelte er sein Maltalent, er freute sich auf den Zeichenunterricht, der einmal in der Woche stattfandt. Die Mutter schickte ihm Buntstifte, aber Bernhard suchte auch die verschiedenen Schreibläden in der Stadt auf.

Er fertigte Zeichnungen vom Alumnat an, beschrieb die Veränderungen, und schickte sie an seine Mutter. Auch Briefmarken und Münzen zeichnete er detailgetreu nach. Und er zeichnete einen Stadtplan von seinem geliebten Ort Guling, wo seine Eltern ein Sommerhaus gemietet hatten. Seinen Vater sah Bernhard selten, denn neben der Tätigkeit beim Seezoll schriebErnst Ruhstrat Bücher und Aufsätze über China. Sonntags, wenn die anderen Jungen sich zum Spielen  verabredeten,  besuchte Bernhard den Seezoll-Direktor Ohlmer und die Familie von Brockdorff, dessen Sohn Alexander auch auf die deutsche Schule ging. Nach einem Jahr hatte er sich langsam an das Leben in Tsingtau gewöhnt, pflegte Freundschaften und ging mit anderen Jungen zum Pferderennen. Neben Alexander von Brockdorff wurden Gustav Hoffmann und Gerhard Voskamp seine besten Freunde. Gerhard wohnte bei seinem Vater im Haus der Berliner Mission, Johannes Voskamp war Superintentent in Qingdao und predigte an der evangelischen Kirche an der Bismarkstraße.

in dieser Kapelle an der Bismarckstraße wurde Bernhard Ruhstrat im März 1910 konfirmiert

In den Sommer- und Weihnachtsferien fuhr er nach Hause nach Kiukiang (heute Jiujiang). Auf der Rückreise schrieb er schon auf dem Dampfer die ersten Briefe an die Mutter. In Shanghai musste er das Schiff wechseln, da blieb er stets ein paar Tage bei Freunden seines Vaters Dr. Krieg und Dr. von Schab,  oder bei den Verwandten Dr. Paulun und seiner Frau.

Postkarte mit deutsche Kirche, dt. Konsulat und Dr. Kriegs Haus, um 1910

Ernst Ruhstrat wusste, dass sich sein Sohn in Tsingtau nicht wohlfühlte und er bemerkte auch die Sehnsucht nach der Familie. Er versuchte, mit dem Zollkollegen Hugo von Brockdorff die Stelle zu tauschen, so dass die ganze Familie Ruhstrat in Tsingtau leben konnte. Aber Graf von Brockdorff verließ China im März 1909 und ging zurück nach Deutschland.

Im Sommer 1910 verließ Bernhard Ruhstrat die Schule und das Alumnat, er fuhr mit dem Schiff von Tsingtau nach Shanghai und traf dort seine Eltern und Geschwister. Danach trat er allein die Reise auf dem Dampfer „Lützow“ nach Bremerhaven an. Ab Herbst besuchte er das Preußische Gymnasium in Leer in Ostfriesland.

Seine Eltern und Geschwister kamen Ende 1912 zurück nach Oldenburg; Ernst Ruhstrat litt an einer Tropenkrankheit und starb am 25. Januar 1913 in der Villa Louiswerth in Hahn bei Rastede.

Bernhard Ruhstrat ging nach dem Abitur nach Halle und studierte Theologie und Philosophie. Im Januar 1915 beendete er eine Rekrutenausbildung in Flensburg, danach war in Flandern stationiert.

Bernhards Grab in Beaumetz, Frankreich

Er starb am 18. Oktober 1916 in der Schlacht an der Somme in Frankreich im Alter von 21 Jahren. Er wurde auf einem kleinen Friedhof in Beaumetz bei Cartigny beigesetzt. Später wurde er umgebettet auf den Soldatenfriedhof Maissémy, zehn Kilometer nördlich von Quentin.

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