牯岭镇
Das Lushan-Gebirge 庐山 südlich des Yangzi-Flusses 长江 nahe der Stadt Jiujiang 九江 ist ein Ort mit langer Historie. Es liegt ca. 200 km südöstlich von Wuhan 武汉 in der Provinz Jiangxi 江西. Wegen der Schönheit der Berge besuchten seit der Östlichen Jin-Dynastie 东晋 berühmte Literaten, Mönche und Maler diesen Ort und hinterließen hier ihre Spuren. Es gibt über 4000 überlieferte Gedichte über den Lushan. Ein besonderer Ort ist Guling, 1167 Meter hoch, von den Ausländer auch Kuling genannt.
Nach dem zweiten Opiumkrieg musste die Qing-Regierung die Stadt Jiujiang als Vertragshafen öffnen. 1884 besetzten russische Händler den Jiufeng-Tempel auf dem Lu Shan und so begann die Besiedelung der Westmächte. Der britische Missionar Edward Selby Little (1864-1939, chin. Name: 李德立) pachtete ab 1885 in Guling 4500 Mu 亩 (ca. 300 Hektar) Land auf 99 Jahre. Danach gründete Little eine Firma, um das Land zu vermarkten und zu verpachten.
Reverend Edward Selby Little war Mitglied der methodistischen Gemeinde Jiujang, die sich seit 1884 für die Berge nahe der Stadt interessierte, und den Bau eines Sanatoriums im Lushan-Gebirge plante. Die Sommerhitze war in den Städten unerträglich. Neben der methodistischen Kirche kaufte auch das Seezollamt in Jiujiang Grundstücke, zudem die Hankou-Mission. Ein Grundstück kostete 150 US $. Little suchte einen neuen Namen für Guling 牯岭 (auf deutsch: Kuhgipfel), den Ausländer wie Chinesen gut aussprechen konnten und so entschied er sich für den englischen Namen Cooling. Im Jahr 1899 verfasste er auf Bitte der chinesischen Regierung ein kleines Büchlein:
The Story of Kuling
Darin beschrieb er genau die Planung des Ortes. Er engagierte einen deutschen und einen britischen Ingenieur, um das Land zu vermessen. Sie bauten Straßen und pflasterten die Trampelwege der Holzfäller mit Steinplatten. Dafür musste Little 2.000 bis 3.000 US $ bezahlen. Ferner teilten sie das Land in kleinere Grundstücke. Die Nutzungszwecke der einzelnen Grundstücke wurden fest definiert, es gab jedoch keine Einschränkung in Bauart und Baustil. Über alle möglichen Kanäle fing Little an, Werbung für den kühlen Ort in den Bergen zu machen, so kamen auch Ausländer aus Nanjing 南京 und Zhenjiang 镇江 nach Guling. Nach westlichem Vorbild errichtete Little 1908 ein Katasteramt für Guling.
Im Jahr 1908 mietete auch der Oldenburger Ernst Ruhstrat eine Villa vom Kaiserlichen Chinesischen Seezollamt, denn Ruhstrat war als Assistent beim Chinese Maritime Custume Jiujiang angestellt. Besonders die fünf Kinder liebten diesen Aufenthalt in den Bergen. Der Sohn Bernhard zeichnete bei seinem ersten Besuch im Sommer 1908 einen Stadtplan von Guling. Bernhard besuchte die deutsche Schule im Schutzgebiet Tsingtau. Er beschrieb die Szenerie in Briefen nach Oldenburg:
Durch Kuling fließt ein Bach, der einen sehr schönen kleinen Wasserfall bildet, den können unsere Schiffe – so nennen wir ein Stück ausgehöhltes Brennholz und einen utzigen, dünnen und kurzen Balken – fein hinuntersausen. Sie kommen herangeschwommen, sausen den Wasserfall hinunter, drehen sich eine Zeit lang im Wirbel und werden dann an eine quer durch den Bach gelegte Staumauer (d.h. aus kleinen und großen Steinen zusammengehäufte Landungsbrücke getrieben, wo sie liegen bleiben, bis sie durch Schleggen – knorrige Äste – wieder stromaufwärts gezogen werden. … Kuling liegt in einem Tal, etwa 3500 oder 4000 Fuß hoch. Die höchsten Kämme sind 5000 Fuß hoch. Von einem Punkte aus sieht man den ganzen Yangtekiang und den Pojiang-See. Der Pojiang-Lake ist ein chinesischer See etwas östlich von Kiukiang. Er steht mit dem Yangtekiang in Verbindung. … Otto ist mit Mutter schon mehrfach zum Baden in einem wenig besuchten Badepfuhl „hoch da droben“ gegangen. Ich bin erst einmal hingewesen, dann ich bekam darum Katarrh und mußte lange aussetzen. Zum Badepfuhl hinauf muß man immer erst furchtbar kraxeln. – Dieser Pfuhl ist ungefähr ganz verlassen. Nur wenige unbedeutende Leute gehen noch hin. Die meisten baden weiter unten in einem größeren, schöneren Pfuhl, wo auch einige Zellen sind.
Die Familie Ruhstrat verließ schon Anfang 1910 Jiujiang wieder und zog nach Shanghai. Besonders Bernhard trauerte: Nie wieder Jiujiang und mein geliebtes Kuling…
Heute ist das Lushan-Gebirge mit Guling Unesco Welterbe. Viele Villen und Kirchen aus alter Zeit stehen heute noch. Guling ist auch bekannt durch die Grabstätte von Absalom Seidenstricker (1852-1931), dem Vater von Nobelpreisträgerin Pearl S Buck.
Quellenangaben:
Text, Zeichnungen und Fotos aus den Jahren 1908 und 1909: Niedersächsisches Landesarchiv Oldenburg Dep 70 Akz. 2014/027 Nr. 7
Fotos aus dem Jahr 1996: Huang Jianhui, Zhuhai
Foto Mister Little: Wikipedia.zn
Fotos aus dem Jahr 1924: Herr Yamamoto