Ernst K. A. Ruhstrat

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Beamter – Schriftsteller – Sammler

Die Ruhstrats waren eine hochgestellte Juristenfamilie im 19. und 20. Jahrhundert in Oldenburg. Der Vater Ernst Friedrich Johann Ruhstrat (1815-1890) war Vizepräsident am Oberappellationsgericht in Oldenburg. Zwei Familienmitglieder waren Oldenburgische Staatsminister.

Ernst Friedrich Johann Ruhstrat, Quelle: NLA Oldenburg, Dep. 70, Akz. 2014/027 Nr. 13

Ernst Ruhstrat sen. war mit Marie Martha Wallroth aus Eutin verheiratet. Sie war die Enkeltochter vom Oldenburger Hofmaler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (genannt Goethe-Tischbein, 1751-1829).

Ernst Konrad Anton wurde am 22. Februar 1856 in Oldenburg geboren. Er hatte drei jüngere Geschwister: Nanny, verh. Bödeker (geboren 1858), Franz (geboren 1859), Theodor (geboren 1865). Franz Ruhstrat war Justizminister und der letzte Ministerpräsident des Großherzogtums Oldenburg (1916-1918).

Ernst legte im Jahr 1876 am Großherzoglichen Gymnasium (heute Altes Gymnasium) das Abitur ab. Anschließend studierte er in Berlin und Leipzig Mathematik und Astronomie.

Im Jahr 1880 reiste er nach London zur Vervollkommnung der englischen Sprache. Dort traf er den Mitarbeiter des chinesischen Seezollamtes James Campbell.

Für China interessierte er sich schon seit einiger Zeit, denn sein Cousin Carl Zedelius (geb.1858 Oldenburg, gest. 1899 in Shanghai), der Medizin studiert hatte, war schon 1878 nach Shanghai gegangen, um dort als Arzt im deutschen Konsulat tätig zu sein.

Ernst (links) mit Carl und Thekla Zedelius, Quelle: NLA OL, Dep. 70 Akz. 2014/027 Nr.13

Für eine kurze Zeit unterrichtete Ernst Ruhstrat die englische Sprache an einer Privatschule im Rheinland. Am 26. Oktober 1881 unterschrieb er einen Vertrag beim chinesischen Seezoll als 4. Assistent. Kurz danach reiste er mit dem Zug bis Brindisi und dann mit dem Schiff nach Shanghai. In seinen Briefen klage er, dass er kaum Zeit für Vergnügungen hätte, denn das Erlernen der chinesischen Sprache wäre schwer und zeitraubend. Nach dieser Grundausbildung in Shanghai war seine erste Station im Frühjahr 1882 bis Oktober 1883 Neuchwang (Niuchuang) in Nordchina.

Ernst Ruhstrat hinten Mitte, Peking 1887, Quelle: NLA OL, Dep. 70 Akz. 2014/027 Nr. 13

Von Oktober 1883 bis Herbst 1886 war er in Takow (heute Kiaohsiung) auf der Insel Formosa (heute Taiwan) stationiert. Während dieser Zeit kamen ihm Zweifel, ob die Arbeit beim Kaiserlichen Chinesischen Seezoll das Richtige für ihn wäre. Seine große Leidenschaft war die Naturwissenschaft, er stand mit dem Direktor des Großherzoglichen Museums Oldenburg Carl Friedrich Wiebken in regelmäßigen Briefkontakt und berichtete von seinem Zwiespalt.

Ernst Ruhstrat schickte von Formosa eine bedeutende Sammlung von Reptilien, Conchylien, Crustaren, Schildkröten und Käfern an das Großherzogliche Museum Oldenburg (heute Landesmuseum für Mensch und Natur Oldenburg). Unter den Schlangen war auch eine neue Art, die den Namen des Sammlers,  Lycodon ruhstrati, erhielt.

Quelle: Wikipedia.org

Von Formosa wurde Ruhstrat wieder aufs Festland versetzt und im Laufe der Jahre wurde er zum Chief-Assistent befördert. 1889 diente er in der Stadt Chinkiang (Zhenjiang) am Jangtse. Von dort aus ging er auf Heimaturlaub.

Am 10. Oktober 1890 heiratete er Marie Kallmeyer (geb. 1.1.1867 in Ratzeburg gest. 17.4.1926) in der Oldenburger Lambertikirche.

1891 ging das Ehepaar Rushtrat gemeinsam nach Chinkiang, dort wurden die Söhne Konrad am 9.12.1893 (gest. 30.3.1902 in Shanghai) und Bernhard am 3.8.1895 (gest. 18.10.1916 in Pèronne, Frankreich) geboren.

von links: Bernhard, Konrad, Otto

Das Paar bekam noch vier weitere Kinder: Otto, geb. 25.08.1900 in Amoy (heute Xiamen), Friedrich geb. 20.11.1902 in Shanghai, Gertrud, geb. 22.06.1904 in Oldenburg und Hertha, geb. 30.06.1906 in Oldenburg.

Studierstube von Ernst Ruhstrat um 1900

Es war beim kaiserlichen chinesischen Seezoll üblich, dass die Angestellten drei Jahre in einer Hafenstadt arbeiteten und dann zwei Jahre Heimaturlaub bekamen. So wohnten auch Ernst und Marie Ruhstrat mit ihren Kindern in unterschiedlichen Städten Chinas.

Ernst und Marie Ruhstrat

Ernst und Marie schickten regelmäßig viele mehrseitige Briefe zu den Eltern und Verwandten, doch zwischendurch gab es auch mal eine interessante Postkarte. Am 14. Februar1902 schrieb Marie Ruhstrat eine Karte mit dem Bild des Seezollamtes in Shanghai:

Liebe M[utter]! Heute nur diesen Gruß, Brief in ein paar Tagen. Das Fenster im Turm unter den chinesischen Schriftzeichen ist Ernsts Office. Herzl. Gr. von allen. Deine M[arie].

Postkarte aus Shanghai, Quelle: NLA OL, Dep. 70 Akz. 2014/027 Nr.5

Ab 1909 war Ernst Ruhstrat wieder in Shanghai beschäftigt. Das Zollhaus lag direkt am Bund.

Seezollamt Shanghai, Quelle: NLA OL, Dep. 70 Akz. 2014/027 Nr. 13
Geldschein von 1914 mit dem Seezollamt

Ende 1912 erkrankte Ernst Ruhstrat an Spue und wurde nach seiner Rückkehr im Hamburger Tropenkrankenhaus behandelt. Die fünfköpfige Familie wohnte in der Villa Louiswerth in Hahn bei Rastede, dort starb Ernst am 25. Januar 1913. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Gertrudenfriedhof in Oldenburg.

Nach mehr als 31 Jahren im chinesischen Seezollamt hatte Ernst Ruhstrat ein ausgefülltes Arbeitsleben, er hat sich langsam vom 4. Assistent zum Chief-Assistent hochgearbeitet, doch er war nicht karrieresüchtig. Er hat sich in dieser Zeit mit dem Land und der Kultur Chinas auseinander gesetzt und hat eine umfangreiche Literatur hinterlassen.

Bücher:

1885 gemeinsam mit Friedrich Hirth: Text Book of Documentary Chinese with a Vocabulary for the Special Use of the Chinese Custom .2 Vol. Verlag Kelly & Walsh Shanghai

1899 Aus dem Land der Mitte, Verlag Alfred Schall Berlin

1905 Sittenbilder aus China, Schulzesche Buchhandlung Oldenburg und Leipzig

Eine Auswahl der Zeitungsartikel:

1888 Das Ausland: Geschichtliche Notiz über die Insel Formosa

1903 Sonderdruck Nr. 53 des Asiatischen Lloyds: Die Mitwirkung der Preussen bei Waterloo in englischer Beleuchtung

1903 The East of Asia magazine Shanghai, page 167: Chinese Fans

1905 Weserzeitung Bremen: Der Winter in Nordchina

1905 Weserzeitung Bremen: Aus Formosa

1907 Vossische Zeitung: Der chinesische Zolldienst

1908 Kritik über The Historian’s History of the World und die Schlacht bei Waterloo

1909 Die Grenzboten: Die Modernisierung Chinas

1909 Die Grenzboten: Die Aussichten der christlichen Religion in China

Der Sohn Bernhard, der selbst viele Briefe aus seiner Schulzeit von 1908 bis 1910 im damaligen Schutzgebiet Tsingtau hinterließ, legte 1911 ein Familien-Archiv des Chinesisches Astes der Familie Ruhstrat an. Diese Briefe und Postkarten werden heute im Niedersächsischen Landesarchiv in Oldenburg bewahrt.

Benutzte Quellen:
  • Niedersächsisches Landesarchiv Oldenburg (NLA OL) Signatur: Dep. 70 Akz. 2014/027 Nr. 5, 8 und 13
  • Familienarchiv Ruhstrat
  • Shanghai Library
  • Bibliotheca Zi Ka Wei, Shanghai
  • SOAS Library, London
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