Das Erbe der Ming

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In der Zeit von 1994 bis 1998 habe ich in Xisanqi, einem nördlichen Stadtteil von Beijing, gewohnt. Bereits an den ersten Wochenenden luden uns chinesische Freunde ein, berühmte Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Wir fuhren nach Badaling, dort wo sich die Große Mauer über Bergkämme schlängelt, besuchten nebenbei den Heiligen Weg und das Changling. Wir hatten an einem Nachmittag so ein großes Programm, dass wir eigentlich gar nicht wussten, was wir da anschauten. In wenigen Sätzen erklärte Herr Li mir die Geschichte der feudalen Ming-Kaiser.

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Im Frühjahr 1995 stellte die Firma meines Mannes uns ein Auto zur Verfügung, und zeitgleich bekamen wir beide chinesische Führerscheine. Waren wir zuvor auf Bus und Taxi angewiesen, freuten wir uns nun auf Ausflüge mit dem eigenen Auto.

An einem Wochenende im Mai 1995 wurden wir von unseren amerikanischen Freunden zu einem Picknick eingeladen. In einer Autokolonne fuhren wir nach Norden. In einem ummauerten Garten traf sich die ausländische Gemeinde; die Deutschen brachten ihren Kartoffelsalat mit, die Italiener die Pasta, die Franzosen die Baguettes, die Engländer das Roastbeef und die Amerikaner Hamburger. Nachdem wir von allem probiert hatten, fragte ich, wie diese Gegend hieß. Shisanling, war die Antwort.

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Shisanling, das hatte ich doch schon mal gehört. Nach dem Essen machten wir uns auf, das Gelände zu erkunden. Dort entdeckte ich eine große Terrasse. Mein Mann kletterte über eine zerstörte Steintreppe auf einen Turm. Ich stand auf der Terrasse und Bilder vom letzten Herbst tanzten vor meinen Augen. All dies hatte ich doch schon einmal gesehen.

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Dieses Gelände war eine verkleinerte Form der Grabstätte Changling, dass wir vor einem halben Jahr mit unseren chinesischen Freunden besucht hatten. Nur dieses hier war sehr verfallen, einige Gebäude existierten gar nicht mehr. Unsere Freunde wussten gar nicht, dass dies eine Grabanlage war.

Die Woche darauf fuhren wir alleine wieder in dieses Tal und besuchten noch einmal das imposante Changling. Dort kaufte ich in einem kleinen Laden Bücher über diese Grabanlagen. Und am gleichen Tag steuerten wir noch mal das verfallene Grab an. Es war still, nur die Vögel zwitscherten. Dies war das Tal, wo die toten Ming-Kaiser ruhen. Hier hatten sie sich ihre Paläste gebaut, der eine Kaiser größer, der andere kleiner. Ich fing nun an, Chinesisch zu lernen, und schaute mir die Zeichen Shisanling an. Und ich erkannte die Zahl 13. Es mussten dementsprechend noch elf weitere Gräber in diesem Tal liegen.

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Von diesem Zeitpunkt an fuhren wir oft ins Tal im Norden von Beijing, und fanden neben den 13 Kaisergräbern ebenfalls Grabanlagen von Eunuchen und Konkubinen. Nach langem Suchen in den Westbergen fand ich schließlich das Grab des Kaisers Jingtai. Erst 1999 habe ich das Grab des ersten Ming-Kaisers in Nanjing besucht.

Mingkarte Sun

Drei der Grabanlagen in Changping – neben dem Changling auch das Dingling mit der geöffneten Grabkammer und das kleine Zhaoling – stehen den Touristen offen. Die zehn übrigen Gräber sind teilweise restauriert worden; es sind Tore eingebaut worden und die sind verschlossen. Es gibt keine Möglichkeit mehr, diese Grabanlagen zu besichtigen.

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Meine Beobachtungen, die ich in diesem Buch beschreibe, beziehen sich hauptsächlich auf die Jahre 1995 bis 1998. Im März 1961 wurden die kaiserlichen Gräber der Ming-Dynastie unter Denkmalschutz gestellt. Seit Juli 2003 werden die Minggräber bei der Unesco als Weltkulturerbe geführt. Bei meinem letzten Besuch im März 2016 habe ich viele Veränderungen bemerkt und habe festgestellt, dass das Erbe der Ming-Kaiser bewahrt wird.

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Dieser Text ist ein Auszug aus folgendem Buch:

Das Erbe der Ming