Chinesischer Tee – Ein Lebensgefühl

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茶人 茶事 茶话

In Hongkong besuche ich in ein chinesisches Teehaus und will zum ersten Mal im meinem Leben den chinesischen Tee probieren. Dieses Teehaus an der Nanjing Road befindet sich in im ersten Stockwerk eines Hochhauses und sieht eher europäisch als chinesisch aus. Englische Einrichtung und Selbstbedienung. Obwohl es sonniges Wetter mit angenehmen 23 Grad ist, bläst die Klimaanlage eine eisige Brise in den Raum. Eine ältere Chinesin hinter dem Tresen fragt mich:

Im Hafen von Hongkong
Im Hafen von Hongkong

„Chinese tea or English tea?“

Spontan antworte ich : „Chinese tea.“

„What kind of Chinese tea? Oolong, Keemun, Pu’er, Dragon Well or Iron Buddha tea?“

„Oh.“ Von diesen Sorten hatte ich noch nie gehört und ich bestelle einfach:

„Just simple green tea.“

Die Dame rollt mit den Augen und ruft ihrer Kollegin, die in einem kleinen Raum dahinter steht, etwas auf kantonesisch zu.

Ach, ich habe mich wahrscheinlich schrecklich blamiert. Ich sehe mich um. Gott sei Dank sitzen nicht viele Leute hier. Am Ecktisch sitzt ein alter Chinese mit grauen Haaren, er trägt eine typische chinesische Jacke mit Stehkragen. Er nickt und lächelt mir zu. Ich setze mich in die andere Ecke. Mein Tee wird in einer kleinen, weißen Porzellankanne mit blauem Blumenmuster serviert. Die Teetasse besitzt das gleiche Muster. Nun steht der alte Mann auf und setzt sich direkt neben mich.

„Sie kommen aus Deutschland?“, fragt er.

„Ja, wie…haben …“

„Ich habe das sofort gesehen, als Sie hereinkamen. Ich sitze jeden Tag hier und studiere die Menschen.“

„Hier in dieser Straße wimmelt es von Ausländern, nicht wahr?“

In dem Moment kommt eine weitere Ausländerin und bestellt einen English tea, die Angestellte bringt ein Teeglas an den Tisch; der alte Mann und ich starren auf das Glas, in dem sich die Milch, die zuerst die obere Hälfte des Glas einnimmt und dann ganz langsam nach unten zieht, mit dem Tee vermischt.

Der Alte zeigt auf ein vergilbtes Foto an der Wand.

„Chengdu“, sagt er, „wenn Sie etwas lernen wollen über chinesische Teesorten, dann müssen Sie nach Chengdu fahren.“

„Chengdu?“, frage ich ihn, „wo liegt das?“

„In der berühmten Provinz Sichuan (四川).“

Stolz deutet er auf seine Nase. „Ich bin in Chengdu geboren.“

Die Stadt Chengdu (成都) hat mit ihren vielen Teehäusern eine eigene große Teekultur. Es gibt so viele Teehäuser, dass man sie nicht mehr zählen kann, in Chengdu gebraucht man oft den Ausdruck (茶海) das Meer des Tees.

Der älteren Dame hinter dem Tresen entgeht nichts und ruft mir zu: „Yes, yes, Chengdu, the sea of tea.“

Die Teeblätter werden gedarrt
Die Teeblätter werden gedarrt

Unbeirrt erklärt der Alte weiter: „Wohl das berühmteste Teeanbaugebiet liegt am Gelben Berg (黄山) in der Provinz Anhui. Die Region Qimen (祁门) in Anhui (安徽) wurde prominent durch den schwarzen Keemun-Tee.“

„Keemun?“ frage ich zögernd.

„Ja, das ist der kantonesische Ausdruck für die Region Qimen. Früher wurden alle Produkte vom alten Canton aus verschifft, und so bekamen die Waren oft einen ganz anderen Namen und der wurde dann in aller Welt bekannt.

Ein weiteres Teeanbaugebiet liegt in den Bergen in der Nähe von Hangzhou (杭州), an der Löwenbergspitze wird der bekannte Drachenbrunnen-Tee (龙井茶) angebaut.“

Teekisten-Etikett der Firma Schrader, Bremen
Teekisten-Etikett der Firma Schrader

Ich blinzele zu der Tafel hinter dem Tresen und suche einen Namen, damit ich nicht ganz so dumm dasitze. „Ich habe den Namen Oolong gehört.“

„Wir Chinesen sagen Wulong-Tee (乌龙茶) dazu, aber in aller Welt ist er als Oolong bekannt, er wird in den Provinzen wie Zhejiang und Fujian angebaut. Es ist ein halbfermentierter Tee mit riesengroßen Blättern, die sich nach dem Aufguss bis zu 9 cm entfalten können.

Aus der Provinz Yunnan (云南) kommt der fermentierte Pu’er Tee (普洱茶), der wohl der gesündeste Tee sein soll. Einige Leute glauben, dass er zum Abnehmen anregt.“

„Und was trinke ich gerade?“ und nehme einen Schluck aus der Tasse.

„This is Gunpowder!“ ruft die Bedienung vom Tresen. Sie hat hier alles unter Kontrolle.

Der alte Mann winkt mit der Hand.

„In der Provinz Zhejiang liegen die Anbaugebiete für den berühmten Gunpowder Tee. Es ist ein grüner Tee und durch seine spezielle Art des Trocknen rollen sich die Blätter zu einer Kugel zusammen.“

„Lustiger Name. Gunpowder, Schießpulver.“

„Der Name Gunpowder geht auf eine Geschichte aus dem 17. Jahrhundert zurück. Die portugiesische Prinzessin Catarina da Braganca, die mit dem englischen Thronfolger verheiratet wurde, bekam als Mitgift einen Kiste Tee. Der englische Königshof war über die Kugelform überrascht und nannte diese Kügelchen Gunpowder.“

Der alte Mann scheint allwissend zu sein.

„Wollen Sie noch mehr über Tee wissen?“ fragt er.

Teekannensammlung
Teekannensammlung

Die vielen Erklärungen machen mich müde, aber trotzdem sage ich: „Ja.“

„Dann gibt es noch den Eisenbuddha-Tee, auf chinesisch heißt er Tieguanyin (铁观音). Eine Legende sagt, dass ein Bauer namens Wei Yin in der Provinz Fujian im Tempel der Göttin Guanyin, der Göttin der Barmherzigkeit, Hausmeisterdienste verrichtet hat und nie bezahlt wurde. Eines Nachts erschien ihm die Göttin im Traum und deutete auf den kleinen Teestrauch hinter dem Tempel hin. Er pflanzte den Teestrauch in seinen Garten und dieser gedieh prächtig. Schnell wurde der Bauer durch den Verkauf der Teeblätter reich. Zu Ehren der eisernen Statue nannte er die Sorte Eisenbuddha-Tee.“

Der Alte sieht mir meine Müdigkeit wohl an.

„Was machen Sie in Hongkong?“

„Mein Mann arbeitet hier, schon morgen fahren wir weiter nach Guangzhou.“

„Ah, auch in der Guangdong-Provinz (广东) gibt es Teeplantagen. In den Bergen Wuguishan (五桂山) nahe der Stadt Zhongshan gibt es noch eine Teeplantage. Wenn Sie Zeit haben, besuchen Sie diese Plantage.“

Ich trinke meine Tasse Tee aus und verabschiede mich von dem netten Herrn.

Die Angestellte fordert mich zum Weitertrinken auf und kommt mit einer Thermoskanne heißes Wasser. Aber ich gehe schnell zum Ausgang.

„The second cup is the best“, ruft sie mir nach.

Schon drei Tage später besuchen wir mit einem chinesischen Freund die Plantage Wuguishan. Hier können wir bei der Ernte zusehen.

Auf einer Teeplantage
Auf einer Teeplantage

Es ist Anfang April, kurz vor dem Qingming-Fest, dem Fest der Toten. Unser Freund erklärt uns, dass es die erste Ernte im Jahr ist, der sogenannte First Flush.

In China wird er Mingqian (明前) genannt, weil er vor dem Qingming-Fest gepflückt wird.

Wir beobachten die Frauen, die die feinen Spitzen pflücken. Uns wird erzählt, dass schon ein Jahr später diese Anhöhe gerodet wird und eine Luxus-Wohnsiedlung entstehen soll.

Teeplantage in Guishan
Teeplantage in Wuguishan

Wochen später besuche ich in ein Teehaus in Chengdu. Ich schaue auf die Tafel, wo alle Teesorten aufgeführt sind und bestelle einen weißen Tee für 18 Renminbi die Schale.

Die Frau hinter dem Tresen sagt mir:

„Eine gute Wahl, Lady. Wissen Sie, dieser Tee kommt von einem 138 Jahre alten Baum nicht weit von hier. Dieser Baum gehört einem Bauern, der oben in den Bergen wohnt, auf 1.800 Metern Höhe.“

Weißer Tee vom 138 Jahre alten Baum Quelle: ShangHai Restaurant
Weißer Tee vom 138 Jahre alten Baum

„Das muss ja ein besonderer Tee sein“, gebe ich zurück.

Sie nickt: „Um so höher der Berg, um so besser die Qualität.“

Weißer Tee Qelle: ShangHai Restaurant
Weißer Tee

Ich setze mich in einen Bambusstuhl. In diesem Garten sitzen vor allem alte Männer, trinken ihren Tee und diskutieren laut. Ein Tee, ein Platz (一茶一坐) steht auf dem Schild an der Wand. Also ohne einen Tee zu bestellen, darf man hier nicht sitzen.

Teekarte.Chengdu
Teekarte in Chengdu

Hier in Chengdu ist es so anders als in Hongkong. Ein junger blinder Mann geht von Tisch zu Tisch, zeigt ein kleines Pappschild, auf dem er Kopfmassage und Ohrensäuberung anbietet. Der große Weidenbaum spendet Schatten. Ich lehne mich zurück, trinke meinen Tee und denke an das Gespräch mit dem weisen Alten in Hongkong. Er hatte Recht, hier scheint das Meer des Tees zu sein. Und ich sitze in einem Boot und genieße dieses Lebensgefühl.

Garten eines Teehauses, Chengdu
Garten eines Teehauses, Chengdu
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